Ägypten

Nil-Kreuzfahrt 2016

Nun also meine erste Kreuzfahrt. Hätte ich mir bis dato kaum vorstellen können, aber mit meiner Mutter ist das eine bequeme Art zu reisen. Am 21.4.2016 landeten wir nach abenteuerlichem Landeanflug also in Luxor und wurden von dort vorbei an ersten Sphingen, Tempeln und Eselkarren zu unserm Schiff gebracht, der MS Ramidis I. Das Publikum ist sehr gemischt, wie sich bei einem ersten Mittagessen feststellen lässt. Ältere Ehepaare, zwei junge ganz interessierte Pärchen, ein paar Freundesgruppen. Und Gäste wie ich, die mit ihrer Mutter oder ihrem Vater unterwegs sind. Und ein Gast im Fußballtrikot mit 70 Bierdosen im Gepäck. Beim Bezug der Kabine und den Gängen mit den Mahagonitüren denke ich an Hercule Poirot und den Film ‚Tod auf dem Nil‘. Ganz so luxuriös ist es nicht, aber doch recht komfortabel und schön. Erstmal ankommen, das Sonnendeck eignet sich hervorragend dafür und bei 40 Grad gewinne ich einen ersten Eindruck von diesem zweitgrößten Strom der Welt. Zwei Fischerboote fahren gerade ihre Netze ein, gegenüber am sattgrünen Nilufer galoppiert ein junger Mann auf seinem Pferd auf und ab, die Muezzins rufen zum Gebet und Allah uh akba. Hinter uns liegen weitere Schiffe, aber aufgrund der politischen Lage ist nicht soviel los. Hassan, einer der Kellner erzählt mir später an der Schleuse von Esna, normalerweise kämen 4 bis 5 Schiffe pro Stunde an die Schleuse, z.Z. wären es nur zwei. Unser Schiff ist zudem nur halb belegt.

Unsere Reise beginnt und endet in Luxor, wo wir am Tag nach unserer Ankunft den Karnak Tempel mit seinen vielen Säulen und den Luxor Tempel besichtigen. Wieder erinnere ich mich an Agatha Christie, denn einer der Morde in „Tod auf dem Nil“ geschieht bei den beeindruckenden Säulen im Karnak Tempel. Vor dem Tempel ist eine Sphingenallee. Den Löwenkörpern wurden hier Widder- statt Menschenköpfe aufgesetzt, da der Tempel dem Gott Amun gewidmet ist und eine seiner Erscheinungsformen ist der Widder. Die zahllosen Hieroglyphen und die kolossale Säulenhalle sind beeindruckend, ebenso der mit 29m höchste Obelisk Ägyptens. Der höchste Obelisk der Welt steht allerdings in Rom.

Vor dem Tempel ist gerade Freitagsgebet in der Moschee, bis auf die Straße reihen sich die Gebetsteppiche und die betenden Männer. Zurück am Schiff stechen wir mittags in See, abends sollen wir in der Stadt Edfu ankommen. Und während wir so dahinschippern stelle ich fest: Eine Nilkreuzfahrt ist Entschleunigung pur. Links und rechts gibt es immer was zu sehen, winkende und badende Kinder, Dattelpalmen, weidende Esel und Kühe, Felder, ein paar Berge, Wüste, Dünen sowie Felsformationen, sogar an Felsgräbern kommen wir vorbei.

Der Nil wird ständig breiter obwohl wir flussabwärts fahren. An manchen stellen sind viele grüne Inseln im Fluss. Die Häuser sind teils bunt, teils verfallen, teils nur halbfertig gebaut, bis wieder Geld da ist um weiterzubauen. An einigen Feldern stehen Strohhütten.

Ägypten ist viel ärmer als ich erwartet habe. Notdürftige Lehmhäuser, Männer auf Eseln und um Geld bittende Menschen begegnen uns auf der ganzen Reise. In Edfu legen wir über Nacht an, auf der Straße unter uns fahren hupend alte Autos, Tuktuks, Mopeds und Pferdekarren vorbei, die Männer sitzen Tee trinkend und Shisha rauchend auf Plastikstühlen am Nilufer. Am nächsten Morgen mache ich mich früh auf um Edfu anzuschauen, die Zeit ist knapp um 10.00 Uhr legen wir schon wieder ab. Vor der Schiffsanlegestelle stehen zahlreiche Kutschen für die Passagiere bereit. Ich möchte laufen, was sich als einzelne Frau schnell als schwieriges Unterfangen heraus stellt, da ich kaum von Bord von Kutschern umringt werde. Ich gebe nach, handle mit einem Kutscher, Ahmed, einen Preis aus um zum Horustempel und zum Markt zu fahren. Ahmed bietet sich mir schnell und hartnäckig als künftiger Ehemann an, meine Lüge, dass ich bereits verheiratet bin, lässt ihn kalt, aber ich bin ja groß und kann freundlich und ebenso hartnäckig ‚Nein Danke‘ sagen. Das heißt übrigens Lâ shukran und ist sehr hilfreich. Der Markt gefällt mir gut, ich bin die einzige Europäerin und froh um meine zwar warme aber alles bedeckende Strickjacke. Wir haben zwar zwei ägyptische mitreisende Paare an Bord, wo die Frauen eher europäisch gekleidet sind, aber ansonsten sind die Frauen streng verschleiert.

Am Schiff freunde ich mich mit einem älteren Pastor an, der viele Jahre in Asien und Lateinamerika Entwicklungshilfe geleistet hat bzw. Missionar war. Wir unterhalten uns über andere Länder, mögen die gleichen Bücher, wie Homo Faber oder die Entdeckung des Himmels und verstehen uns auch sonst prächtig. So beredt er ist, so schweigsam ist anfangs sein mitreisender Freund, ein ehemaliger Politologe. Aber auch wir werden bald Freunde, tauschen Buchtipps aus und verstehen uns prima. An Bord kommt man schnell ins Gespräch, eine junge gehörlose Mitreisende bringt mir und einem jungen Zahnarztpaar ein bisschen Gebärdensprache bei, ein kleines sechsjähriges Mädchen bringt mich mit meinem inzwischen rudimentärem französisch schnell an sprachliche Grenzen.

Bei einem Zwischenstop in Kom Ombo, bestaunen wir den Sobek Tempel und Krokodilmumien. Der Tempel ist zwei Göttern geweiht: dem Krokodilgott, der einen vor den gefräßigen Nilkrokodilen beschützen sollte und Horus. Horus, der falkenköpfige Sohn von Isis und Osiris, begegnet einem in jedem Tempel. Unser Guide Ahme erzählt uns die Geschichte, wie der eifersüchtige Seth seinen Bruder Osiris tötete und die Leichenteile über das Land verstreute. Die trauernde Isis suchte die Körperteile, wurde wie durch ein Wunder schwanger und gebar Horus. Krokodile gibt es übrigens keine mehr in Ägypten, erst wieder im Sudan.

Unser nächstes Ziel ist Assuan, die zweitgrößte Stadt Ägyptens mit 1 Mio Einwohnern. Kairo hat 19 Mio, Ägypten insgesamt 90 Mio Einwohner. Ägypten ist dreimal so groß wie Deutschland, aber nur 3,5% dieses trockenen Landes, in dem jeder Regen eine Sensation ist, sind bewohnt. Fast alles links und rechts der Lebensader Nil. Dahinter Wüste. So auch in Assuan. Ab hier ist der Nil nicht mehr schiffbar. Zum einen, weil hier der erste Katarakt (Stromschnelle) ist, zum anderen ist hier der riesige Nasser Staudamm. Assuan gefällt mir sehr, wir liegen gegenüber der Elephantine Insel vor Anker, eine Nilinsel mit bunten nubischen Häusern, überall Segelboote und Feluken, dahinter die Dünen und links von uns das lebhafte Assuan. Wir besuchen den Philae Tempel auf einer Insel, den Nasser Staudamm, fahren mit einer Feluke den Nil entlang, vorbei am 130 Jahre alten Old Kataract Hotel. Die Suite in der Agatha Christie einst wohnte hat 600qm. Mit einem Motorboot fahren wir durchs Naturschutzgebiet, der Nil verästelt sich und viele Granitfelsen schauen aus dem Wasser, die Natur hier ist atemberaubend. Große Dünen, ein paar Kamele und bunte nubische Häuser. Die Nubier sind die schwarzafrikanische Volksgruppe in Ägypten. Am nächsten Tag besuchen meine Mutter und ich den Souq in Assuan. Im Süden des Marktes gibt es einen nubischen Teil mit Gewürzen und Kunsthandwerk. Der Markt erstreckt sich über zahlreiche Gassen parallel zum Nil und ist wahrhaft schön. Es riecht orientalisch und wir kaufen Safran, Zimt und Pfeffer und trinken Malventee.

Zwei Tage Assuan sind leider zu kurz, unser Schiff fährt retour und ich schaue der Stadt mit ihren Häusern und Segelbooten hinterher. Das Fahren ist das Schönste an der Kreuzfahrt. Die vorbeiziehende Landschaft ist einfach traumhaft. Wieder gibt es winkende Kinder am Flussufer, die ‚Hello‘ rüber rufen. Seltsam, dass man bei Schiffen  immer das Bedürfnis hat zu winken. An der lärmenden Promenade von Edfu legen wir über Nacht wieder an um am frühen Morgen weiter nach Esna zu fahren. Dort besichtigen wir den Chnum Tempel, einen bunten Tempel mit faszinierenden Säulen-Kapitelen. Bei den meisten Tempeln ist kaum noch Farbe zu erkennen, nicht so hier. Vor 3500 Jahren muss die Farbpracht der Tempel atemberaubend gewesen sein.

Viel zu früh sind wir wieder in Luxor vor Anker. Der letzte Tag hält noch einen Höhepunkt für uns bereit: wir besuchen das Tal der Könige. Hier fand Howard Carter 1922 das Grab des Tutanchamun. Im Neuen Reich wurden die Pharaonen nicht mehr in Pyramiden wie bei Kairo beigesetzt, wegen der vielen Grabräuber wurden im Tal der Könige unter einer natürlichen Pyramide tiefe Schächte gebaut, in denen die Pharaonen bestattet wurden. Insgesamt sind 60 entdeckt. Ich sehe die Gräber von Ramses IV und VII sowie drei weitere und fühle mich ein bisschen wie Indiana Jones. Die Sonne brennt, aber die Grabschächte sind angenehm kühl und die farbigen Zeichnungen an den Wänden spektakulär. Wie muss sich Carter wohl gefühlt haben, als er die Grabkammer Tutanchamuns mit all seinen Schätzen entdeckt hat? Die anderen Grabkammern waren längst geplündert. Anschließend besichtigen wir den Hatschepsut Tempel, nach dem Tod ihres Mannes regierte die Pharaonin 20 Jahre lang. Der Tempel im Fels sieht mit seinen Säulen fast modern aus. Jedenfalls keinesfalls wie 3500 Jahre alt. Mit einer Stippvisite bei den Memnon Kolossen endet das Rahmenprogramm der Kreuzfahrt.

Am letzten Abend an Deck unterhalten wir uns wieder mit dem Pfarrer und seinem Freund, etwas wehmütig ob des baldigen Abschieds.

Vorne am Bug weht die rot-weiß-schwarze ägyptische Fahne. Als wir ankamen, waren die Weizenfelder ganz gelb, jetzt wird schon geerntet. Hier gibt es drei Ernten pro Jahr. Trotzdem muss zusätzlich Getreide importiert werden. Ägypten ist ein Drittweltland, das viel vom Tourismus lebt. Jeder bittet uns Werbung für Ägypten zu machen, da der Tourismus seit 2011 dramatisch eingebrochen ist. Das werden wir – ich war sehr positiv von diesem Land und seinen Leuten überrascht, habe es lieb gewonnen und werde ganz sicher wiederkommen.